Philosophie

 

Abendländische Philosophie, Philosophie des westeuropäischen Kulturraumes von der Antike bis zur Gegenwart.

Der Begriff Abendland (auch Okzident, von lateinisch sol occidens: untergehende Sonne, Westen) steht in Abhebung von dem als „Morgenland" bezeichneten Orient (von lateinisch sol oriens: aufgehende Sonne, Morgen, Osten) für den sich seit dem Mittelalter als einheitlich begreifenden europäischen Kulturraum. Gegenstand der Philosophie (griechisch philosophia: Liebe zur Weisheit), für die eine allgemein gültige Definition zu geben nicht möglich ist, sind die Fragen nach dem Grund, dem Ursprung und dem Sinn allen Seins. Die Philosophie fragt weiter nach dem, was der Mensch sei, was er wissen könne, tun solle und hoffen dürfe (Immanuel Kant).

Die Geschichte der abendländischen Philosophie beginnt in der griechischen Antike, ihren Ursprung identifizierten Platon und Aristoteles im Staunen – im Staunen darüber, dass überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts, im Staunen darüber, dass wir leben. Über das Staunen kommt der Mensch zum Fragen – zum Fragen warum überhaupt etwas ist, was hinter all den Erscheinungen wirkt und warum wir leben. Neben dem Staunen werden der Zweifel und das Wissen um den eigenen Tod als weitere Anstöße zum Philosophieren gesehen.

Griechische Philosophie

Die ionische Schule

Thales aus der Stadt Milet, an der ionischen Küste Kleinasiens, der um 580 v. Chr. wirkte, war der vermutlich erste griechische Philosoph überhaupt. Er begründete die Schule der ionischen Naturphilosophie. Thales, der von späteren Generationen als einer der Sieben Weisen Griechenlands verehrt wurde, war an astronomischen, physikalischen und meteorologischen Erscheinungen interessiert. Er nahm an, dass alle natürlichen Phänomene unterschiedliche Formen einer einzigen Grundsubstanz (eine frühe Form des Monismus), nämlich des Wassers, seien, da er Verdampfung und Kondensation als universale Vorgänge ansah. Anaximander, ein Schüler von Thales, behauptete, der Ursprung allen Seins sei das Unbegrenzte (apeiron).

Der dritte große ionische Philosoph, Anaximenes, kehrte zu Thales’ Behauptung zurück, dass der Urstoff etwas Bekanntes und Materielles sein müsse – nach seiner Meinung die Luft. Er glaubte, dass sich die Veränderungen, denen die Dinge unterliegen, aufgrund von „Verdünnung" und „Verdichtung" der Luft erklären ließen.

Die pythagoreische Schule

Um 530 v. Chr. gründete der Philosoph Pythagoras eine philosophische Schule in Kroton (Süditalien). Sie vereinte die antiken mythischen Anschauungen über die Welt mit dem sich entwickelnden Interesse für wissenschaftliche Erklärungen. Die Pythagoreer lehrten und praktizierten eine Lebensweise, die sich auf den Glauben von der Gefangenheit der Seele im Körper stützte. Durch den Tod werde die Seele schließlich befreit und in einer höheren oder niedrigeren Daseinsform, entsprechend dem Grad der erreichten Tugend, wieder geboren. Als höchstes Ziel des Menschen betrachteten sie die Läuterung der Seele durch die Pflege intellektueller Tugenden, durch die Enthaltung von Sinnesfreuden und die Ausübung verschiedener religiöser Riten. Die Pythagoreer lehrten, die Bewegung der Planeten erzeuge eine Art „Sphärenmusik". Sie entwickelten auch eine „Musiktherapie", um die Menschheit in die Sphärenharmonie des Himmels einzustimmen.

Die Pythagoreer identifizierten die Wissenschaft mit der Mathematik. Die Zahlen seien nicht nur das Prinzip des Mathematischen, sondern auch des Seienden.

Die Schule Heraklits

Heraklit von Ephesus setzte die Suche der Ionier nach dem Urstoff fort und fand diesen im Feuer verkörpert. Heraklit behauptete, dass sich alle Dinge in einem fortwährenden Fluss befänden, dass Beständigkeit eine Täuschung sei und dass bloß die Veränderung und die Gesetze der Veränderung oder der Logos wirklich seien. Aus Heraklits Lehre vom Logos, welche die Gesetze der Natur mit einem göttlichen Geist gleichsetzte, entwickelte sich die pantheistische Theologie des Stoizismus.

Die Schule der Eleaten

Im 5. Jahrhundert v. Chr. gründete Parmenides in Elea, einer griechischen Kolonie auf der italienischen Halbinsel, eine philosophische Schule. Im Gegensatz zu Heraklit sah Parmenides das Universum als unteilbar, unveränderlich an. Ihm zufolge kann nichts wirklich behauptet werden – außer, dass das „Seiende existiert". Zenon von Elea, ein Schüler von Parmenides, versuchte die These von der Einheit des Seins zu stärken und behauptete, dass der Glaube an eine Veränderung, Vielfalt und Bewegung der Wirklichkeit zu logischen Paradoxa führe. Zenons Paradoxa wurden zu berühmten intellektuellen Geduldsspielen, die Philosophen und Logiker aller nachfolgenden Zeiten zu lösen versuchten. Die Beschäftigung der Eleaten mit dem Problem der logischen Folgerichtigkeit bildete die Grundlage für die Entwicklung der wissenschaftlichen Logik.

Die Pluralisten

Im 5. Jahrhundert v. Chr. entwickelten Empedokles und Anaxagoras eine Philosophie, die der ionischen Annahme eines einzigen Urstoffes eine Vielfalt solcher Substanzen entgegensetzte. Empedokles mutmaßte, dass sich alle Dinge aus vier Grundelementen zusammensetzen, und zwar aus Luft, Wasser, Erde und Feuer, die sich aufgrund von zwei entgegengesetzten Kräften, Liebe und Hass (bzw. anziehende und abstoßende Kraft), untereinander verbinden bzw. wieder trennen. Durch diesen Vorgang entwickelt sich nach ihm die Welt in einem ewigen Kreislauf aus dem Chaos zur Form und wieder zurück zum Chaos. Empedokles betrachtete diesen ewigen Kreislauf als wahren Gegenstand religiöser Verehrung und kritisierte den volkstümlichen Glauben an persönliche Gottheiten. Allerdings konnte er für das Problem, auf welche Weise sich die bekannten Dinge der Erfahrungswelt aus diesen von ihnen so grundverschiedenen Urelementen heraus entwickeln konnten, keine Erklärung finden. Daher schloss Anaxagoras, dass sich alle Dinge aus kleinsten Teilchen oder „Homöomerien", die es in unendlicher Vielfalt gibt, zusammensetzten. Zur Erklärung, auf welche Weise sich diese Teilchen mischen, um die einzelnen Naturdinge zu bilden, stellte er eine Theorie der kosmischen Entwicklung auf. Er behauptete, dass das aktive Prinzip dieses Entwicklungsprozesses ein Weltgeist sei, der die Mischung und Trennung der Teilchen verursache. Seine Auffassung von den Stoffteilchen führte zur Herausbildung einer atomistischen Theorie von der Materie.

Die Atomisten

Nach der Theorie der Atomisten setzt sich die Materie aus kleinsten, unteilbaren Partikeln zusammen, die sich lediglich durch einfache physikalische Eigenschaften, wie Größe, Form und Gewicht, voneinander unterscheiden. Der Atomismus geht auf den Philosophen des 4. Jahrhunderts v. Chr. Leukipp zurück und wurde von seinem berühmten Mitstreiter Demokrit, dem allgemein das Verdienst der ersten systematischen Formulierung einer materiellen Atomlehre zugesprochen wird, weitergeführt. Er vertrat eine durchwegs materialistische Auffassung von der Natur und erklärte alle natürlichen Erscheinungen aufgrund von Anzahl, Form und Größe der Atome. Auf diese Weise führte er die durch die Sinne wahrgenommenen Eigenschaften der Dinge, wie Wärme, Kälte, Geschmack und Geruch, auf quantitative Unterschiede zwischen den Atomen zurück. Die höheren Daseinsformen, wie z. B. die Pflanzen- und Tierwelt, ja sogar das menschliche Denken, erklärte Demokrit rein physikalisch. Er weitete seine Lehre auch auf die Psychologie, Physiologie, Erkenntnistheorie (Epistemologie), Ethik und die Politik aus. Seine Lehre war das erste umfassende System eines deterministischen Materialismus. In ihm werden alle Aspekte des Daseins als strengen physikalischen Gesetzen unterworfen dargestellt.

Die Sophisten

Gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurde eine Gruppe umherziehender Lehrer, Sophisten genannt, in ganz Griechenland bekannt. Die Sophisten spielten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der griechischen Stadtstaaten aus agrarischen Monarchien zu Handel treibenden Demokratien. Mit dem Anwachsen von Industrie und Handel in Griechenland fiel die politische Macht immer mehr in die Hände der Klasse der Neureichen, der wirtschaftlich mächtigen Kaufleute. Da ihnen die Bildung der Aristokraten fehlte, bezahlten sie die Sophisten für den Unterricht in öffentlicher Redekunst, juristischer Beweisführung und Allgemeinbildung, um sich das für Politik und Handel benötigte Wissen anzueignen. Zwar erbrachten die bedeutendsten Sophisten wertvolle Beiträge zum griechischen Gedankengut, insgesamt jedoch galten sie als betrügerisch, unehrlich und demagogisch. Die berühmte Maxime Protagoras’, einer führenden Persönlichkeit unter den Sophisten, dass der „Mensch das Maß aller Dinge sei", ist kennzeichnend für die philosophische Haltung der sophistischen Schule. Die Sophisten sprechen den Individuen das Recht zu, alle Angelegenheiten für sich selbst zu entscheiden. Sie bestreiten die Möglichkeit jeder objektiven Erkenntnis. Ethische Regeln sollte man nach der von ihnen vertretenen Lehre nur dann befolgen, wenn dies zum persönlichen Vorteil geschähe.

Sokrates

Eine Persönlichkeit, die die griechische Philosophie sehr stark geprägt hat, war Sokrates. Er wurde 469 v. Chr. geboren. Sokrates pflegte den philosophischen Dialog mit seinen Schülern bis zu seinem Todesurteil 399 v. Chr. Im Unterschied zu den Sophisten weigerte sich Sokrates, für seinen Unterricht Geld anzunehmen, weil er außer der Einsicht in das eigene Nichtwissen kein wirkliches Wissen vermitteln könne. Sokrates hinterließ keine Schriften, seine Lehren wurden jedoch in den Dialogen seines berühmten Schülers Platon überliefert. Sokrates lehrte, dass in der Seele jedes Individuums die volle Erkenntnis der letzten Wahrheit verborgen sei und diese durch Reflexion auch bewusst gemacht werden könne. In Platons Dialog Menon formuliert ein ungebildeter Sklave unter Sokrates’ Anleitung den pythagoreischen Lehrsatz und beweist somit, dass eine derartige Erkenntnis der Seele innewohnt und nicht aus der Erfahrung stammt. Sokrates zufolge ist es die einzige Aufgabe des Philosophen, die Menschen zu selbständigem Denken anzuregen. Nicht eine systematische Doktrin, sondern eine Methode des Denkens und eine Lebenshaltung waren sein Beitrag zur Geschichte der Philosophie.

Platon

Wie Sokrates betrachtete Platon (428/427 bis 348/347 v. Chr.) die Ethik als wichtigstes Gebiet der Philosophie. Tugend und Weisheit sind für ihn identisch – wahrhaft tugendhaft kann nur der Weise sein, der Weise nicht anders als tugendhaft handeln. Diese Ansicht führte zu dem so genannten Sokratischen Paradoxon, dass „kein Mensch absichtlich Böses tue", ein Ausspruch, den er in seinem Werk Protagoras Sokrates in den Mund legt. Aristoteles wies später darauf hin, dass, wenn diese Aussage richtig wäre, der Mensch seiner moralischen Verantwortung enthoben sei. Platon beschäftigte sich weiterhin mit naturwissenschaftlichen Fragen, solchen der politischen Theorie, der Metaphysik, der Theologie und Epistemologie.

Die Grundlage der platonischen Philosophie ist seine Ideen- oder Formenlehre. In der Ideenlehre, die vor allem in der Politeia und im Parmenides dargelegt ist, teilt er die Wirklichkeit in zwei Bereiche, einen „erkennbaren Bereich" der vollkommenen ewigen und unsichtbaren Ideen oder Formen und einen „Sinnenbereich" der ohne weiteres mit den Sinnen wahrnehmbaren Dinge. Bäume, Steine, menschliche Körper und andere Objekte, die über die Sinne wahrgenommen werden können, sind für Platon unwirkliche, schattenhafte und unvollkommene Abbilder der Ideen. In der Politeia beschreibt Platon eine Höhle, in der die Menschheit gefangen ist und die Schatten an der Höhlenwand für die Wirklichkeit hält. Der Philosoph ist für ihn derjenige, der in die Welt jenseits der Höhle der Unwissenheit eindringt und Einblick in die wahre Wirklichkeit, den Bereich der Ideen, erlangt. Platons Auffassung von dem absolut Guten, der höchsten Idee, die alle anderen Ideen umfasst, wurde zu einer der Hauptquellen pantheistischer und mystisch-religiöser Lehren der abendländischen Kultur.

Platons Ideenlehre und seine rationalistische Erkenntnistheorie bildeten die Grundlage für seinen ethischen und sozialen Idealismus. In der Sphäre der ewigen Ideen sind nach Platon die Richtlinien oder Ideale auffindbar, nach denen alle Dinge und Handlungen beurteilt werden sollten. Der Philosoph, der sich von den sinnlichen Genüssen abkehrt und dafür nach Erkenntnis der abstrakten Grundsätze strebt, wird in diesen Idealen die Formen für persönliches Verhalten und gesellschaftliche Institutionen finden. Die soziale Gerechtigkeit erfordert die Harmonie zwischen den Gesellschaftsklassen, die nur durch die Herrschaft der Besten, der Philosophen, gewährleistet werden kann. Nach Platon sind Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit in der Gottesidee vereint.

Aristoteles

Aristoteles, der 367 v. Chr. im Alter von 17 Jahren an die Akademie Platons kam, war dessen bedeutendster Schüler und darf wohl als der einflussreichste Denker in der Geschichte der abendländischen Philosophie angesehen werden. Nach seinem langjährigen Studium in der Akademie wurde Aristoteles Erzieher von Alexander dem Großen. Später kehrte er nach Athen zurück, wo er 335 v. Chr. die nach dem Peripatos, dem Wandelgang in dem er lehrte, benannte Peripatetische Schule begründete, eine Schule, die wie Platons Akademie über Jahrhunderte hinweg eines der großen und bedeutendsten Unterrichtszentren in Griechenland war. Aristoteles definierte die Grundbegriffe und Prinzipien vieler theoretischer Wissenschaftszweige, wie Logik, Biologie, Physik und Psychologie. Der Begründer der wissenschaftlichen Logik enwickelte die Methode des deduktiven Schließens (Deduktion) durch Syllogismen.

In seiner Metaphysik kritisierte Aristoteles Platons Trennung von Idee und Materie und behauptete, dass die Idee oder das Wesentliche in dem konkreten Objekt, das sie darstelle, enthalten sei. Für Aristoteles ist das Wirkliche eine Einheit von Möglichkeit (potentia) und Aktualität (actus). Mit anderen Worten, jedes Ding ist eine Einheit aus dem, was es sein kann, aber noch nicht ist, und dem, was es bereits ist, denn alle Dinge unterliegen dem Wandel und werden zu anderen Dingen, außer dem menschlichen und dem göttlichen aktiven Geist, die reine Idee sind.

Die Natur ist für Aristoteles ein organisches System der Dinge mit all ihren Zielen und Zwecken. Die Himmelskörper, die von Gott auf vollkommenen Kreisbahnen in Ewigkeit bewegt werden, sind in der Rangordnung der Natur noch höher gestellt als die Seele des Menschen. Diese hierarchische Auffassung der Natur und allen Seins hatte auch großen Einfluss auf viele Theologen des Mittelalters.

Auch die politische Philosophie und Ethik des Aristoteles nahm ihren Anfang in der kritischen Überprüfung der platonischen Lehren. Die persönlichen und gesellschaftlichen Verhaltensnormen müssen nach Aristoteles von dem ausgehen, was der Mensch ist, nicht von reinen Ideen. Somit besteht Aristoteles nicht wie Platon auf einer strengen Einhaltung absoluter Prinzipien, sondern betrachtet die ethischen Gesetze eher als praktische Richtlinien für ein glückliches und ausgeglichenes Leben. Seine Hervorhebung der Glückseligkeit als aktive Erfüllung der natürlichen Fähigkeiten war Ausdruck der Lebenseinstellung der gebildeten Griechen seiner Zeit. In seiner politischen Theorie bezog Aristoteles eine realistischere Position als Platon. Zwar war er auch der Meinung, dass eine von einem weisen König regierte Monarchie das ideale politische Gefüge sei, erkannte jedoch, dass in der Praxis eine, allerdings gemäßigte, Demokratie im Allgemeinen die beste Regierungsform ist.

Auf dem Gebiet der Epistemologie vertrat Aristoteles entgegen der platonischen Lehre die Auffassung, dass Erkenntnis nur durch eine Verallgemeinerung aus der Erfahrung gewonnen werden könne.

Kunst war für ihn ein Mittel zur Freude und geistigen Aufklärung und weniger ein Instrument moralischer Erziehung. Seine literarischen Analysen der griechischen Tragödien dienten der literarischen Kritik als Vorbild.

Hellenistische und römische Philosophie

Beginnend mit dem 4. Jahrhundert v. Chr. und bis zur Herausbildung der christlichen Philosophien im 4. Jahrhundert n. Chr. waren der Epikureismus, der Stoizismus, der Skeptizismus und der Neuplatonismus die bestimmenden philosophischen Schulen des Abendlandes. Während dieser Zeit ging das Interesse an den Naturwissenschaften stetig zurück, und die philosophischen Schulen nahmen sich hauptsächlich ethischer und religiöser Probleme an.

Epikureismus

Im Jahr 306 v. Chr. gründete Epikur eine philosophische Schule in Athen. Da sich seine Anhänger in seinem Garten versammelten, wurden sie als „Philosophen des Gartens" bekannt. Epikur knüpfte an die atomistische Physik Demokrits an. Im Gegensatz zu dessen These von der zufälligen Bewegung der Atome in alle Richtungen vermutete er jedoch eine einheitlich abwärts gerichtete Bewegung. Auch behauptete er, dass die Atome zuweilen in unvorhersehbarer Weise nach einem nicht näher zu bestimmenden Zufallsprinzip ausbrächen. Epikur zufolge kommt der Naturwissenschaft bloß dann eine Bedeutung zu, wenn sie zur Durchführung praktischer Entscheidungen oder zur Linderung der Furcht vor Gott oder dem Tod beitragen kann. Er sah in einem möglichst lustvollen Leben das Lebensziel des Menschen. Epikurs Lehren sind hauptsächlich in dem philosophischen Lehrgedicht „De Rerum Natura" („Über das Wesen der Dinge") des römischen Dichters Lukrez erhalten geblieben, der auch zum Großteil für die Verbreitung des Epikureismus in Rom verantwortlich ist.

Stoizismus

Die nach der Stoa poikile, einer Säulenhalle in Athen benannte Schule der Stoa, die um 310 v. Chr. von Zenon von Kition gegründet wurde, entwickelte sich aus der früheren Bewegung der Kyniker. Der Stoizismus wurde zu der zu seiner Zeit einflussreichsten Schule der griechisch-römischen Welt. Er brachte einige großartige Schriftsteller und Persönlichkeiten hervor, wie z. B. den Philosophen Epiktet und den römischen Herrscher Mark Aurel, der für seine Weisheit und seinen edlen Charakter bekannt war. Die Stoiker lehrten, dass man Freiheit und Ruhe nur erreichen könne, indem man der materiellen Behaglichkeit und dem irdischen Wohlstand entsagen lerne, und sich einem Leben der Vernunft und Tugend verschreibe. Die Stoiker vertraten eine gewissermaßen materialistische Auffassung von der Natur und folgten Heraklits Lehre von dem Urstoff des Feuers und der Verehrung des Logos. Den Logos setzten sie mit der Energie, dem Gesetz, der Vernunft und der in der gesamten Natur vorhandenen göttlichen Vorsehung gleich. Die menschliche Vernunft betrachteten sie auch als Teil des göttlichen Logos und daher als unsterblich. Die Lehre der Stoiker, die besagt, dass der Mensch ein Teil Gottes sei und dass alle Menschen einer großen Familie angehören, ermöglichte es, die nationalen, sozialen und völkischen Schranken einzureißen und den Weg für die Verbreitung einer universellen Religion zu ebnen. Die stoische Doktrin von dem Naturgesetz, aufgrund dessen das Wesen des Menschen zum Maßstab erklärt wird, an dem die Gesetze und gesellschaftlichen Institutionen gemessen werden, beeinflusste in bedeutendem Maße das römische Recht.

Skeptizismus

Die Schule der Skeptiker, die an die sophistische Kritik der objektiven Erkenntnis anschließt, war im 3. Jahrhundert v. Chr. an der platonischen Akademie vorherrschend. Der Skeptizismus war eine Reaktion auf den metaphysischen Dogmatismus. Die Skeptiker entdeckten in der Logik, wie schon Zenon von Elea, ein gewaltiges Instrument der Kritik. Im Wesentlichen behaupteten sie, dass der Mensch nicht zur Erkenntnis der letzten Wahrheiten gelangen könne und sich deshalb gegenüber allen nicht ohne weiteres erfahrbaren Tatsachen, also gegenüber allen Hypothesen und Theorien, Zurückhaltung auferlegen sollte. Der bedeutendste Skeptiker war Pyrrhon.

Neuplatonismus

Der jüdisch-hellenistische Philosoph Philon von Alexandria vereinte die griechische Philosophie, insbesondere platonische und pythagoreische Ideen, mit der judäischen Religion zu einem umfassenden System, das den Neuplatonismus sowie den jüdischen, christlichen und muslimischen Mystizismus vorwegnahm. Philon vertrat die Idee vom transzendentalen Wesen Gottes, welches das menschliche Verständnis übersteige und daher unbeschreibbar sei. Er stellte die natürliche Welt als eine Reihe absteigender Stadien von Gott dar. Er war Befürworter eines religiösen Staates oder einer Theokratie und einer der Ersten, der eine Auslegung des Alten Testaments für die Nichtjuden vornahm. Philon starb um 50 n. Chr.

Der Neuplatonismus, eine der einflussreichsten philosophischen und religiösen Schulen und wichtiger Rivale des Christentums, wurde im 3. Jahrhundert n. Chr. von Ammonios Sakkas und seinem noch berühmteren Schüler Plotin begründet. Plotin stützte seine Ansichten auf die mystischen Dichtungen Platons, der Pythagoreer und Philons. Er sah die Hauptaufgabe der Philosophie in der Vorbereitung des Menschen auf die Erfahrung der Ekstase, in der er mit Gott vereint werde. Gott oder das „Eine" befindet sich jenseits des rationalen Verständnisses und ist Ursprung der gesamten Wirklichkeit. Das Universum entsteht durch Emanation aus dem „Einen", einem „Überfließen" göttlicher Energie in aufeinanderfolgenden Ebenen. Das höchste Lebensziel ist die Befreiung des Selbst aus der Abhängigkeit von körperlichen Behaglichkeiten und die Vorbereitung auf die ekstatische Vereinigung mit dem „Einen" durch philosophische Meditation.

Philosophie des Mittelalters

Während des Verfalls der griechisch-römischen Zivilisation wandten sich die abendländischen Philosophen von den wissenschaftlichen Studien der Natur und der Suche nach irdischem Glück ab und lenkten ihre Aufmerksamkeit auf eine mögliche Erlösung. Bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. hatte sich das Christentum auch auf die gebildeteren Schichten des Römischen Reiches ausgeweitet.

Augustinus

Die Bemühungen, die vernunftbetonten Lehren der Griechen mit der gefühlsbetonten Doktrin von Christus und den Aposteln auszusöhnen, fanden ihren höchsten Ausdruck in den Schriften des heiligen Augustinus (354-430). Nach Ausgustinus war der religiöse Glaube der philosophischen Erkenntnis nicht entgegengesetzt, sondern sie ergänzten einander, und er behauptete, dass man „um zu verstehen, glauben müsse und verstehen müsse, um zu glauben".

Ohne die religiösen Tugenden, wie Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe, die allein durch göttliche Gnade empfangen werden könnten, sei der Mensch auch der natürlichen Tugenden, wie Tapferkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Weisheit nicht fähig.

Scholastik

Die etwa im 9. Jahrhundert einsetzende christlich-abendländische Scholastik (von lateinisch schola: Schule) war dadurch gekennzeichnet, dass die christlichen Dogmen auch die Grundlage für Wissenschaft und Philosophie bildeten.

Die Scholastiker waren nicht so sehr an der Auffindung neuer Tatsachen interessiert, als vielmehr daran, die Wahrheit existierender Glaubensdogmen nachzuweisen. Neue Impulse erhielten Philosophie und Wissenschaft vor allem durch den zunehmenden Kontakt mit der arabischen Welt. Der bedeutende arabische Arzt des 12. Jahrhunderts, Avicenna, vereinte neuplatonische und aristotelische Ideen mit der muslimischen religiösen Doktrin, und der jüdische Dichter Salomon Ben Jehuda Ibn Gabirol arbeitete eine ähnliche Synthese zwischen griechischem Gedankengut und dem Judaismus aus. Der heilige Anselm von Canterbury übernahm Augustinus’ Anschauung von dem Verhältnis zwischen Glauben und Vernunft und verschmolz den Platonismus mit der christlichen Theologie. In Unterstützung der platonischen Ideenlehre vertrat Anselm die gesonderte Existenz der Universalien bzw. der allgemeinen Eigenschaften der Dinge. Er wurde somit, bezüglich eines der meistumstrittenen Themen der scholastischen Philosophie, zum Begründer des logischen Realismus.

Der entgegengesetzte Standpunkt, der Nominalismus, wurde von dem scholastischen Philosophen Roscelin formuliert, der behauptete, dass bloß individuelle, konkrete Dinge existierten und dass die Universalien, Formen und Ideen, nach denen die einzelnen Dinge klassifiziert werden, bloße Namen oder Kennzeichen seien. Aufgrund seiner Behauptung, die Dreieinigkeit müsse sich aus drei gesonderten Wesen zusammensetzen, wurden seine Lehren als häretisch erklärt, und 1092 wurde er gezwungen, sie zu widerrufen. Der französische Scholastiker und Theologe Peter Abälard – dessen im 12. Jahrhundert angesiedelte, tragische Liebesgeschichte mit Héloïse eine der romantischsten Geschichten des Mittelalters ist – schlug einen Kompromiss zwischen dem Realismus und dem Nominalismus vor, der als Konzeptualismus bekannt wurde. Danach sollen die Universalien oder Allgemeinbegriffe in den einzelnen Dingen als Eigenschaften und außerhalb dieser als Begriffe des Geistes vorhanden sein. Nach Abälard muss die Offenbarungsreligion von der Vernunft gerechtfertigt werden. Er entwickelte eine Ethik, die sich auf das persönliche Bewusstsein stützte und nahm somit protestantisches Denken vorweg.

Durch seine klaren und gelehrten Kommentare zu den Werken des Aristoteles trug der spanisch-arabische Jurist und Arzt Averroes, der bemerkenswerteste muslimische Philosoph des Mittelalters, entscheidend zu einem Wiedererwachen des Interesses an der aristotelischen Wissenschaft und Philosophie bei. Von den vielen Scholastikern, die Aristoteles bald als „den Philosophen" betrachteten, wurde Averroes mit dem Beinamen „der Kommentator" bedacht. Averroes unternahm den Versuch, die Gegensätze zwischen der aristotelischen Philosophie und der Offenbarungsreligion zu überwinden, indem er zwischen zwei getrennten Wirklichkeitssystemen unterschied: einem wissenschaftlichen System von Wahrheiten, das sich auf die Vernunft gründet, und einem religiösen System von Wahrheiten, das sich auf Offenbarung gründet, wobei der Vernunft der Vorrang vor der Religion gebühre. Averroes’ Lehre von der so genannten „doppelten Wahrheit" beeinflusste viele muslimische, jüdische und christliche Philosophen, wurde allerdings von vielen auch abgelehnt und wurde so zu einer der wichtigsten Streitfragen der mittelalterlichen Philosophie.

Der englische Mönch Roger Bacon, einer der ersten Scholastiker, der Interesse an experimenteller Wissenschaft zeigte, kritisierte die deduktive Methode seiner Zeitgenossen und unterstrich die Notwendigkeit einer neuen Forschungsmethode, die sich auf kontrollierte Beobachtung stützen sollte.

Die bedeutendste geistige Persönlichkeit des Mittelalters war der heilige Thomas von Aquin, ein Dominikanermönch und Schüler des Albertus Magnus. Thomas gelang es, aristotelisches Gedankengut mit der augustinischen Theologie in einem umfassenden philosophischen System zusammenzuführen. Seine philosophische Theologie wurde später zur leitenden Doktrin der römisch-katholischen Kirche.

Den Anhängern Averroes’ hielt Thomas entgegen, dass die Wahrheit des Glaubens und die Wahrheit der Vernunft nicht im Widerspruch zueinander stünden, sondern lediglich zwei unterschiedlichen Bereichen angehörten. Nach Thomas wird die Wahrheit der Naturwissenschaft und die der Philosophie durch logisches Denken anhand von Tatsachen der Erfahrung gewonnen. Die Offenbarungslehren der Religion hingegen, wie die Doktrin der Dreieinigkeit, die Schöpfungsgeschichte sowie andere christliche Dogmen, liegen jenseits der vernunftsmäßigen Erkenntnis und müssen über den Glauben akzeptiert werden.

Philosophie des Mittelalters nach Thomas von Aquin

Die wichtigsten Kritiker der thomistischen Philosophie waren Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham. Duns Scotus entwickelte ein ausgesprochen scharfsinniges System der Logik und Metaphysik. Infolge des Fanatismus seiner Anhänger wurde der Name Duns später ironischerweise zum Symbol für Dummheit, was bis heute in dem englischen Wort dunce (Dummkopf) erhalten geblieben ist. Scotus wandte sich gegen den Versuch Thomas von Aquins, die rationale Philosophie mit der Offenbarungsreligion in Einklang zu bringen. In einer Variation der Lehre des Averroes von der so genannten „doppelten Wahrheit" vertrat er die Auffassung, alle Glaubensbekenntnisse seien eine Sache des Glaubens, außer der Glaube an die Existenz Gottes, denn diese sei logisch nachweisbar.

Wilhelm von Ockham brachte die in nominalistischem Sinn radikalste Kritik gegen diejenigen Scholastiker vor, die an die immateriellen, unsichtbaren Dinge, wie Ideen, Wesenheiten und Allgemeinbegriffe glaubten. Er behauptete, dass solche abstrakten Wesenheiten bloß Verweise von Wörtern auf andere Wörter und nicht auf reelle Dinge seien. Seine berühmte Regel, die als „Ockhams Rasiermesser" bekannt wurde und die besagte, dass man nie mehr Dinge als existent voraussetzen sollte, als logisch unbedingt notwendig sind, wurde zum Grundsatz der modernen Wissenschaft und Philosophie.

Im 15. und 16. Jahrhundert machte sich neben dem wieder erwachten wissenschaftlichen Interesse an der Natur eine Neigung zu pantheistischer Mystik bemerkbar. Der römisch-katholische Prälat Nikolaus von Kues wurde mit seiner Behauptung, dass sich die Erde um die Sonne bewege, wodurch er den Glauben der Menschheit, Mittelpunkt des Universums zu sein, erschütterte, zum Vorläufer des Astronomen Nikolaus Kopernikus. Er betrachtete das Universum auch als unendlich und mit Gott identisch. Der italienische Philosoph Giordano Bruno, der in ähnlicher Weise das Universum mit Gott gleichsetzte, entwickelte die philosophischen Hintergründe für die kopernikanische Lehre. Brunos philosophischer Einfluss auf die nachfolgende Intellektualität führte zur Entstehung der modernen Wissenschaft.

Philosophie der Neuzeit

Seit dem 15. Jahrhundert wurde die Philosophie von einer fortwährenden Wechselbeziehung zwischen den philosophischen Systemen, die sich auf eine mechanistische und materialistische Auslegung des Universums stützten, und denjenigen, die sich auf den Glauben an den menschlichen Geist als letzte Wirklichkeit gründeten, bestimmt. Diese Wechselbeziehung spiegelte eine zunehmende Wirkung der wissenschaftlichen Entdeckungen und politischen Umwälzungen auf die philosophische Gedankenwelt wider.

Mechanismus und Materialismus

Das 15. und 16. Jahrhundert standen im Zeichen radikaler gesellschaftlicher, politischer und geistiger Neuerungen. Die Erforschung der Welt, die Reformation mit ihrer Betonung des individuellen Glaubens, die Herausbildung der Gesellschaft der Handelsstädte sowie Aufsehen erregende neue Ideen in allen Bereichen der Kultur regten die Entstehung einer neuen philosophischen Weltanschauung an. Die mittelalterliche Auffassung von der Welt als hierarchischer Ordnung von gottgeschaffenen und gottregierten Wesen wurde ersetzt durch das mechanistische Bild von der Welt als riesiger Maschine, deren Teile sich nach strengen physikalischen Gesetzen, ohne Zweck oder Willen, bewegen. Das Lebensziel der Menschen war nicht mehr auf eine Vorbereitung für die Erlösung in einer kommenden Welt ausgerichtet, sondern auf die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse des Menschen. Die politischen Institutionen und ethischen Prinzipien wurden nicht mehr als Widerspiegelung der göttlichen Ordnung angesehen, sondern als praktische, vom Menschen geschaffene Einrichtungen. Aus dieser neuen philosophischen Sicht wurden Erfahrung und Vernunft als die Quellen der Wahrheit anerkannt.

Der erste große Vertreter der neuen Philosophie war der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon, der das Vertrauen in die Autorität und das Wort kritisierte und die aristotelische Logik für die Entdeckung neuer Gesetze als nutzlos empfand. Bacon forderte eine neue wissenschaftliche Methode, die sich auf eine induktive Verallgemeinerung (Induktion) der Ergebnisse sorgfältig durchgeführter Beobachtungen und Experimente stützen sollte.

Das Schaffen des italienischen Physikers und Astronomen Galileo Galilei war für die Entwicklung des neuen Weltbildes von noch weit größerer Bedeutung. Galilei machte bei der Formulierung der wissenschaftlichen Gesetze auf die Bedeutung der Mathematik aufmerksam. Die von ihm entwickelte Mechanik wandte die Gesetze der Geometrie auf die Bewegungen der Körper an. Die Erfolge der Mechanik bei der Entdeckung von Naturgesetzen ließ Galilei und spätere Wissenschaftler annehmen, dass die Natur nach mechanischen Gesetzen aufgebaut sei.

Descartes

Der französische Mathematiker, Physiker und rationalistische Philosoph René Descartes trat, was die Kritik der bestehenden Methoden und Überzeugungen betraf, die Nachfolge Bacons und Galileis an. Er nahm die Mathematik als Vorbild für alle Wissenschaften und wandte ihre deduktiven und analytischen Methoden in allen anderen Bereichen an. 1637 veröffentlichte Descartes sein erstes Hauptwerk Essais philosophiques. Er beschloss, das gesamte menschliche Wissen auf einer absolut sicheren Grundlage wieder aufzubauen, indem er sich weigerte, irgendeinem Glauben Folge zu leisten, auch nicht dem Glauben an seine eigene Existenz, bevor er nicht dessen unbedingte Wahrheit erwiesen habe. Den logischen Beweis seiner eigenen Existenz erbrachte ihm die Tatsache, dass er diese bezweifelte. Sein berühmt gewordener Ausspruch „Cogito, ergo sum" („Ich denke [zweifle], also bin ich" oder besser: „Ich bin mir meiner selbst bewusst, also existiere ich") lieferte ihm die eine sichere Tatsache oder das Axiom, von der er die Existenz Gottes und die Grundgesetze der Natur ableiten konnte. Trotz seiner mechanistischen Betrachtungsweise akzeptierte Descartes die traditionelle religiöse Doktrin von der Unsterblichkeit der Seele und behauptete, dass Geist und Körper zwei unterschiedliche Substanzen seien. Somit unterwarf er den Geist nicht den mechanistischen Naturgesetzen und bekannte sich zur Freiheit des Willens.

Hobbes

Der englische Philosoph Thomas Hobbes baute ein umfassendes materialistisch-metaphysisches System auf, das eine Lösung des Geist-Körper-Problems anbietet, indem es den Geist auf die inneren Bewegungen des Körpers reduziert. Durch die Anwendung der Grundsätze der Mechanik in allen Wissensbereichen definierte er Grundbegriffe jedes Bereichs, wie Leben, Empfindung, Vernunft, Wert und Gerechtigkeit, vom Standpunkt der Materie und der Bewegung aus. Somit reduzierte er alle Phänomene auf physikalische Vorgänge und die gesamte Wissenschaft auf die Mechanik. In seiner ethischen Lehre leitete Hobbes die Gesetze für menschliches Verhalten von dem Gesetz der Selbsterhaltung ab. Seine politische Philosophie gründet sich auf die Metapher vom Urvertrag, in dem sich die Menschen zum Schutz voreinander und vor äußeren Gefährdungen unter den Schutz einer Regierung begeben, deren weithin absolute Macht lediglich an die Erfüllung der Schutzpflicht gebunden ist.

Spinoza

Der holländische Philosoph Baruch Spinoza erarbeitete ein bemerkenswert genaues und strenges philosophisches System, in dem er neue Lösungen bezüglich des Geist-Körper-Problems und des Konfliktes zwischen Religion und Wissenschaft anbot. Wie Descartes behauptete auch Spinoza, dass das gesamte Gefüge der Natur aus einigen wenigen wesentlichen Definitionen und Axiomen der euklidschen Geometrie abgeleitet werden könne. Er erkannte, dass Descartes’ Lehre von den zwei Substanzen das unlösbare Problem der Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist aufgeworfen hatte. Er folgerte, dass das einzige, was als letzter Gegenstand der Erkenntnis in Frage kommen könne, die Substanz selbst sei. Bei dem Versuch, den Beweis zu erbringen, dass Gott, die Substanz und die Natur identisch sind, gelangte er zu dem pantheistischen Schluss, dass alle Dinge bloß Aspekte bzw. Erscheinungsformen Gottes sind. Spinoza, als Jude geboren und erzogen, wurde 1656 aus der jüdischen Gemeinschaft ausgeschlossen und aufgrund seiner unorthodoxen Anschauungen von Rabbis aus Amsterdam verbannt.

Als Lösung des Leib-Seele-Problems bot Spinoza die These des „psychophysischen Parallelismus" an, nach der die scheinbare Wechselwirkung zwischen Geist und Körper darauf beruht, dass beide Erscheinungsformen derselben Substanz sind, die zueinander genau parallel verlaufen.

Locke

John Locke verlieh dem Empirismus durch die Veröffentlichung seines Essays Concerning Human Understanding (1690) einen systematischen Rahmen. Locke kritisierte den vorherrschenden rationalistischen Glauben an eine von der Erfahrung unabhängige Erkenntnis. Obwohl er die von Descartes vorgenommene Trennung zwischen Geist und Körper und die mechanistische Beschreibung der Natur anerkannte, führte er einen erneuten Richtungswechsel in der Philosophie herbei, und zwar von der Untersuchung der physischen Welt zum Studium des Geistes. Dadurch rückte er die Epistemologie in das Zentrum des philosophischen Interesses. Locke versuchte, alle Ideen auf einfache Elemente der Erfahrung zu reduzieren, unterschied jedoch zwischen äußerer Erfahrung (sensation) und innerer Erfahrung (reflection), wobei die äußere Erfahrung den Gegenstand für eine Erkenntnis der Außenwelt lieferte und die innere Erfahrung das Material für die Erkenntis des Geistes.

Idealismus und Skeptizismus

Der Philosoph, Mathematiker und Staatsmann Gottfried Wilhelm Leibniz wurde 1646 in Leipzig geboren. In seinem philosophischen System verband er die mathematischen und physikalischen Erkenntnisse seiner Zeit mit den organischen und religiösen Naturphilosophien der antiken und mittelalterlichen Gedankenwelt. Leibniz betrachtete die Welt als unendliche Anzahl von kleinsten Krafteinheiten, die er Monaden nannte. Jede Monade ist eine in sich geschlossene Welt, spiegelt jedoch alle anderen Monaden aufgrund ihres eigenen Wahrnehmungssystems wider. Alle Monaden sind geistige Wesen, wobei sich aus jenen mit der verworrensten Wahrnehmung unbelebte Dinge bilden, während aus jenen mit der klarsten Wahrnehmung, einschließlich des Bewusstseins vom Selbst und der Vernunft, die Seele und der Geist der Menschheit entstehen. Gott wird als Monade der Monaden angesehen, der alle anderen Monaden schafft und ihre Entwicklung so vorbestimmt, dass sie miteinander in einem Verhältnis prästabilierter (vorherbestimmter) Harmonie existieren. Leibniz’ Anschauung von der organischen und geistigen Natur aller Dinge steht am Anfang der philosophischen Schule des Idealismus.

Berkeley

Der irische Philosoph und anglikanische Geistliche George Berkeley schloss sich Lockes Zweifel an der Erkenntnis einer Welt außerhalb des Bewusstseins an und behauptete, dass es keinen Beweis für die Existenz einer solchen Welt gäbe, da die einzigen Dinge, die man erkenne, die eigenen Wahrnehmungen seien, und diese existierten bloß im Bewusstsein. Die Existenz der Dinge besteht nur in ihrem Wahrgenommenwerden (esse est percipi). Dementsprechend müssen die Dinge, um dann zu existieren, wenn sie nicht beachtet werden, von Gott weiterhin wahrgenommen werden. Seine philosophischen Werke, Principles of Human Knowledge (1710) und The Three Dialogues Between Hylas and Philonous (1713), wurden von seinen Zeitgenossen abgelehnt. Allerdings hat Berkeley aufgrund seiner Behauptung, dass einzig und allein die Sinneserscheinungen den Gegenstand der Erkenntnis ausmachen, die Erkenntnislehre des Phänomenalismus begründet (eine Wahrnehmungslehre, die besagt, dass die Materie in Form von Sinneserscheinungen erkannt werden kann) und gleichzeitig den Weg für die positivistische Bewegung in der modernen Philosophie vorbereitet.

Hume

Der schottische Philosoph und Historiker David Hume übernahm Berkeleys Kritik an der materiellen Substanz und richtete sie gegen Berkeleys Glauben an die geistige Substanz. Er behauptete, es gäbe keine offensichtlichen Beweise für die Existenz einer Bewusstseinssubstanz, eines Geistes oder eines Gottes. Sein wichtigstes philosophisches Werk A Treatise of Human Nature wurde 1739 und 1740 in drei Bänden veröffentlicht. Hume zufolge sind alle metaphysischen Behauptungen über die Dinge, die nicht unmittelbar wahrgenommen werden können, einfach bedeutungslos und sollten den „Flammen preisgegeben werden". In seinen Untersuchungen zu Kausalität und Induktion kam Hume zu dem Schluss, dass es keine logische Begründung für die Annahme gäbe, dass zwischen zwei Ereignissen ein kausaler Zusammenhang existiere oder dass irgendwelche Schlüsse von Vergangenem auf Zukünftiges gezogen werden könnten.

Kant

Seine Antwort auf Humes Skeptizismus formulierte Immanuel Kant in einem umfassenden philosophischen System, das zu den bedeutendsten intellektuellen Errungenschaften der abendländischen Kultur zählt. Kant verbindet den empiristischen Grundsatz, dass die gesamte Erkenntnis ihren Ursprung in der Erfahrung habe, mit dem rationalistischen Glauben an die deduktive Methode. Er vertrat die Ansicht, dass der Inhalt der Erfahrung zwar durch die Erfahrung selbst entdeckt werden müsse, die Vernunft jedoch die Idee und Ordnung für die gesamten Erfahrungen a priori bereits enthalte. Mit dem kategorischen Imperativ (in der allgemeinsten seiner Formulierungen: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.") formuliert Kant ein allgemein-vernünftiges Prinzip des Handelns, das zugleich die Freiheit des menschlichen Willens beweisen soll: Insofern sich die Vernunft in der Aufstellung und Befolgung des kategorischen Imperativs der Pflicht ihrer eigenen Gesetzgebung unterwirft, ist sie selbst gesetzgebend und somit frei. Triebfeder des guten, d. h. freien, Willens ist im Gegensatz zum „pathologischen", d. h. unfreien, sinnlich bestimmten Willen, die Achtung des Gesetzes.

In Frankreich erreichte die intellektuelle Bewegung ihren Höhepunkt in der Periode der Aufklärung und begünstigte die sozialen Veränderungen, die schließlich die Französische Revolution herbeiführten. Zu den führenden Denkern dieser Zeit gehören Voltaire, der die von Locke und anderen liberalen Denkern eingeleitete Tradition des Deismus (Religionsauffassung, die durch rationale Folgerung im Studium der Natur gerechtfertigt werden kann) weiterentwickelte, Jean-Jacques Rousseau, der die Zivilisation für die Korruption des Wesens der Menschheit verantwortlich machte, sowie Denis Diderot, der Begründer der berühmten Encyclopédie, zu der viele Wissenschaftler und Philosophen ihren Beitrag erbrachten.

Absoluter Idealismus

In Deutschland waren durch den Einfluss Kants die philosophischen Richtungen des Idealismus und des Voluntarismus (von lateinisch voluntas: Willen) vorherrschend. Johann Gottlieb Fichte begründete einen absoluten Idealismus, der den Willen zur letzten Realität erhob. Nach Fichte wurde die Welt von dem absoluten Ich geschaffen, dem auch der menschliche Wille angehört und welches Gott als nichtverwirklichtes Ideal anstrebt. Fichtes Anschauungen wurden des Atheismus bezichtigt, und 1799 wurde er gezwungen, seinen Lehrstuhl für Philosophie an der Universität von Jena aufzugeben. Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ging noch weiter in der Rückführung aller Dinge auf die sich selbst verwirklichende Tätigkeit eines absoluten Geistes, indem er ihn mit dem Schöpferischen in der Natur gleichsetzte.

Hegel

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel war der Ursprung der gesamten Wirklichkeit ein absoluter Geist oder eine kosmische Vernunft, die sich aus dem abstrakten, undifferenzierten Sein zu immer konkreteren Formen der Wirklichkeit entwickelt. Diese Entwicklung vollzieht sich in einem dialektischen Prozess in drei Schritten. Jeder dieser drei Schritte setzt sich erstens aus einem Ausgangspunkt, der These, zweitens aus einem gesetzten Gegenstück, der Antithese, und drittens aus einer höheren Stufe, der Synthese, zusammen, welche die beiden Gegenstücke vereint. Dieser Betrachtungsweise zufolge wird die Weltgeschichte durch logische Gesetze regiert, so dass alles „Wirkliche vernünftig" und alles „Vernünftige wirklich" ist. Spätere Stufen der Geschichte werden als konkretere Verwirklichungen des absoluten Geistes angesehen, dessen höchste Stufe der Selbstverwirklichung im Nationalstaat und in der Philosophie ihren Ausdruck findet.

Weitere einflussreiche Philosophen des 19. Jahrhunderts

Arthur Schopenhauer wies den optimistischen Glauben Hegels an Vernunft und Fortschritt ab. In seinem von Atheismus und Pessimismus geprägten Werk Die Welt als Wille und Vorstellung (1819) legt Schopenhauer dar, Natur und Mensch seien Erzeugnisse eines irrationalen Willens, dem der Mensch bloß durch die Kunst oder den Verzicht auf den Wunsch nach Glückseligkeit entfliehen könne. Der französische Mathematiker und Philosoph Auguste Comte formulierte die Philosophie des Positivismus, die sich der metaphysischen Spekulation enthält und die Möglichkeit wahrer Erkenntnis einzig den auf Fakten gegründeten Wissenschaften zugesteht. Die Wissenschaft der Soziologie, die Comte selbst begründete, setzte er an oberste Stelle in der Klassifizierung der Wissenschaften. Der britische Wirtschaftswissenschaftler John Stuart Mill entwickelte und vertiefte die empiristische und utilitaristische Tradition in seinem 1836 veröffentlichten Werk Utilitarismus und wandte ihre Prinzipien auf alle Bereiche des Denkens an.

Evolutionismus in der Philosophie

Die mechanistische Weltanschauung des 17. Jahrhunderts und der Glaube an die Vernunft im 18. Jahrhundert waren zwar immer noch einflussreich, wurden jedoch im 19. Jahrhundert von einer Vielzahl komplexerer und dynamischerer Anschauungen, die sich eher auf Biologie und Geschichte als auf die Mathematik und Physik stützten, modifiziert. Besondere Auswirkungen hatten die Evolutionstheorie und die Lehre von der natürlichen Auslese, die 1858 von Charles Darwin vorgetragen wurde. Karl Marx und Friedrich Engels entwickelten auf der Grundlage von Hegels dialektischer Logik einen dialektischen Materialismus, wobei sie die Materie und nicht den Geist als letzte Realität anerkannten. Von Hegel übernahmen sie die Idee, dass sich die Geschichte aufgrund von dialektischen Gesetzen vollzieht und dass die gesellschaftlichen Institutionen eine konkretere Wirklichkeit besitzen als die Natur oder der individuelle Geist. Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Sozialgeschichte fand ihren Ausdruck im historischen Materialismus, der besagt, dass alle Formen der Kultur von den wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmt werden und dass die Phase des Kapitalismus vom Kommunismus abgelöst werde (siehe Marxismus).

Nietzsche

Friedrich Nietzsche schloss sich Schopenhauers Auffassung vom Leben als Ausdruck eines kosmischen Willens an, machte jedoch den so genannten Willen zur Macht zum Mittelpunkt und Ursprung allen Seins. Nietzsches gleichnamige Abhandlung Der Wille zur Macht wurde im Jahr 1901, ein Jahr nach seinem Tod, veröffentlicht. Er plädierte für eine Rückkehr von der religiösen Ethik zu den primitiveren und natürlicheren Tugenden wie Mut und Stärke.

Pragmatismus

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann der Pragmatismus vor allem in den Vereinigten Staaten schnell an Bedeutung. Charles Sanders Peirce, der dieser philosophischen Richtung ihren Namen gab, formulierte eine pragmatische Erkenntnistheorie, nach der die Bedeutung eines Begriffs in den Voraussagen liegt, die aufgrund der Anwendung dieses Begriffs gemacht und von zukünftigen Erfahrungen bestätigt werden können. William James entwickelte die pragmatische Wahrheitstheorie.

Philosophie des 20. Jahrhunderts

Das 20. Jahrhundert ist wie kein anderes geprägt von einer Explosion des Wissens. In der Physik revolutionieren die Relativitätstheorie und die Quantenphysik das wissenschaftliche Weltbild. Die Psychologie, insbesondere die Psychoanalyse Sigmund Freuds, eröffnet neue Perspektiven für die Frage „Was ist der Mensch?".

In der Philosophie gewinnt die Logik an Bedeutung, zu der Philosophen wie Gottlob Frege und Bertrand Russel bedeutende Beiträge leisten. Im angelsächsischen Raum wird die analytische Philosophie und Sprachphilosophie vorherrschend (siehe Positivismus). Großen Einfluss auf diese Bewegung hatte Ludwig Wittgenstein. In Deutschland und dem westlichen Kontinentaleuropa sind es die Phänomenologie Edmund Husserls, die Existenzphilosophie insbesondere Martin Heideggers und der Existentialismus Jean-Paul Sartres, welche die philosophische Szene prägen. Zudem werden Gesellschaft und Kultur zu einem immer wichtigeren Thema der Philosophie. Sowohl die Lebensphilosophie Henri Bergsons als auch jene Ludwig Klages’ rücken die Gefahr, dass die gegenwärtige Kultur das Humane verstelle anstatt es zu fördern, in den Mittelpunkt ihres Interesses. Die Gesellschaftskritik ist die Domäne der marxistisch orientierten Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Die Geschichte wird zum Thema auch der Hermeneutik, deren wichtigster Vertreter in Deutschland der Husserl- und Heideggerschüler Hans-Georg Gadamer ist.

 

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